Vor noch nicht allzu langer Zeit war ich auf einem Investmentseminar. Wie immer war die Stimmung zu Beginn eines Seminars abwartend und beobachtend. Ein ganzer Raum voller Männer und Frauen, die eine Antwort auf „die“ Frage bekommen möchten: „Wie kann ich finanziell sorgenfrei leben?“
Als der Seminarleiter begann, vermutete ich gleich wieder eine der üblichen Vorstellungen wie: “Ich heiße … Ich bin … und ich bin kompetent, weil …“. Ganz gegen meine Erwartung stellte uns der Seminarleiter lediglich eine Frage: „Wer von Ihnen investiert bereits in Anlagemöglichkeiten?“ So ziemlich alle hoben die Hand. Ich auch. Dann fragte er: „Wer von Ihnen lässt sich bei Banken beraten?“ Wieder hoben fast alle die Hand. Ich ebenfalls. Dann stellte er die Frage, die ich nie wieder in meinem Leben vergessen werde: „Und wer von Ihnen wird von einem reichen Banker beraten, einem wirklich reichen Banker?“
Kein einziger hob seine Hand. Betroffenheit inklusive.
Diese eine letzte Frage lässt sich auf viele Bereiche des Lebens übertragen.
Wer von euch kennt jemanden, der
- vollkommen erfüllt ist in seinem Job?
- glücklich und erfüllt mit seinem Partner und mit seiner Familie lebt?
- total glücklich und ohne Beschwerden sein Singleleben genießt?
Wer von uns hat sich all diese Fragen nicht selbst schon mal in irgendeiner Weise gestellt? Oder ist das „Funktionieren“ schon derart normal geworden, dass wir uns diese Fragen gar nicht mehr stellen? Und falls doch, dann fühlt sich die Antwort „unnatürlich“ an. Geht es dir ähnlich?
Walt Disney hatte einst gesagt: „Erst, wenn du es dir vorstellen kannst, kannst du es auch erreichen.”
Können wir uns nicht mehr vorstellen, wie es ist
– natürlich und authentisch
– beruflich erfüllt
– glücklich in Beziehung
– im Frieden und begeistert von mir selbst zu sein?
Wenn wir natürlich und authentisch sind, geben wir gerne vollen Einsatz dafür, was wir uns für unser Leben wünschen. Wir sind dann einfach davon sowie von uns begeistert.
Können wir das noch? Wollen wir das überhaupt noch oder fühlen wir uns derart als „Rädchen im System“ gefangen, dass wir keine Möglichkeiten mehr wahrnehmen, wir selbst zu sein? Und uns damit selbst um den wundervollsten Ausdruck bringen, der wir sind und sein könnten?
Von klein auf lernen wir, zu funktionieren. Das nennt man dann Erziehung. Das setzt sich in der Schule fort und irgendwann ist es so normal, dass im Erwachsenenleben selbst liebevolle Wünsche aneinander wie Forderungen klingen.
In der Familie, in der Beziehung, in der Arbeit. Überall nehmen wir unser Rädchen im System ein.
Und können wir nicht mehr, steigen wir aus. Unser Körper hilft uns dabei. In der Arbeit nennt man das dann BurnOut. Eine Lebenskrise oder Depression (was BurnOut eigentlich ist, nämlich eine Erschöpfungsdepression) darf nicht in der Personalakte auftauchen. Das hört sich so nach „Schwächling“ oder „Versager“ an. Also jemand, der es nicht mehr bringt. BurnOut klingt anders: Sich für die Firma tot zu arbeiten wirkt sexy in der Personalakte. Der Arbeitgeber gönnt dem Arbeitnehmer dann eher seine Auszeit in der Annahme, dass er sich anschließend wieder “den Arsch aufreißt”, zum Wohle aller. Schließlich ist das Leben kein Ponyhof und eine Firma muss laufen, damit die Gehälter bezahlt werden können.
Und was passiert zu Hause? Nichts anderes.
Das Leben ist geprägt von Funktionieren-Müssen. Ist man kinderlos, stehen viele viele Events und gemeinsame Treffen im Mittelpunkt. Gesellschaftsleben nennen wir das. Als Eltern verfallen wir in die Rolle der Eltern: Kinder wegbringen, Kinder abholen, Kinder füttern, den Kindern ihre Hobbies ermöglichen (oft die, die wir als Kinder nicht machen durften) etc. In der Paartherapieausbildung war es das Erste, was wir lernten: Eltern finden nicht mehr in die Rolle als Paar zurück. Und selbst wenn, sind wir im Hamsterrad des Funktionieren-Müssens gefangen und haben Ansprüche und Erwartungen aneinander. Egal, wo wir sind. Dieses Hamsterrad haben wir immer dabei. Im eigenen Kopf.
Unser System ist derart erkrankt, so dass wir überall den Schein wahren wollen, glücklich zu sein. Alles muss perfekt wirken und daher auch unser Anspruch an uns selbst, dafür zu funktionieren. Nach der „Lila-Kuh-Logik“ (siehe letzter Blog) bedeutet das:
Wenn jemand unbedingt und derart glücklich sein möchte, von was in seiner Welt,
in seinem Leben, in seinem Job, in seiner Beziehung MUSS er ausgehen?
Genau! Dass es nicht funktioniert, dass ich nicht glücklich bin, dass meine Beziehung nicht die ist, die ich mir für mein Leben gewünscht habe.
Ist es ein Wunder, dass wir Menschen mit Glaubenssätzen wie
- ich bin nicht gut genug
- ich bekomme nicht, was ich will
- immer läuft alles schief
- ich bin offensichtlich nicht liebenswert (sonst wäre mein Partner anders zu mir)
- ich bin nicht gewünscht
- Geld alleine macht nicht glücklich
- ich bin hier nicht richtig etc.
durch die Welt laufen?
Und wer ist Schuld? Ich selbst tue ja alles dafür,
- aber mein Partner
- aber mein(e) Arbeitskollege(in)
- aber meine Kinder
- aber meine Eltern
Also kommt zu meinen eigenen Glaubenssätzen auch noch die Machtlosigkeit hinzu: „Ich alleine kann ja nichts ausrichten. Wie auswegslos doch alles ist.”
Selbst Beschäftigungen, die mir früher so viel Spaß und Freude bereitet haben, entmutigen mich heute nur noch. Unternehmungen, die ich früher so gerne mit meinem Partner unternahm, wann sollen wir dafür noch Zeit haben? Und falls doch, stehen wir derart unter Druck, in dieser wenig gefundenen Zeit doch Spaß haben zu müssen. Da ist es wieder, das Funktionieren-Müssen.
Wie lange wollen wir noch funktionieren? Wann ist genug?
Wenn wir uns selbst nicht bewegen, dann kommt von woanders Bewegung in mein Leben, ohne dass ich das bewusst will.
Was wäre also notwendig, um in Bewegung zu kommen:
- Die Psychologie nennt es „Radikale Akzeptanz“. Die Vergangenheit ist, wie sie ist und hat mich zu dem gemacht, der oder die ich heute bin. Also kann ich morgen sein, was ich heute beginne zu sein. (Das wusste schon Buddha 😀 ).
Das Unmögliche zu versuchen, nämlich seine Vergangenheit im nachhinein ändern zu wollen („Das hätte nicht passieren dürfen!“, „Das muss anders sein!“ etc.) erzeugt nur Wut und macht mein Leben schwer. Das allein ist es. Nicht die Tatsache, dass etwas Unerwünschtes passiert ist. - Innere Bereitschaft, mein Leben zu verändern und neu auszurichten
- Meine Entscheidung, einen neuen Weg zu gehen
- Herauszufinden was ich wirklich will
- Dafür zu 100% loszugehen.
Das Leben besteht zu 10% aus dem, was passiert, und zu 90% daraus, was ich daraus mache. Auch ein Nicht-Reagieren und die Dinge einfach so geschehen lassen, ist eine Entscheidung. Meine Entscheidung!
Wir wünschen euch von Herzen ein inspiriertes Aussteigen aus dem Hamsterrad des Funktionieren-Müssens und begleiten euch auf Wunsch sehr gerne im Prozess der Veränderung.
Gemeinsam statt einsam
Euer Paartrainerpaar für Paare und (noch) Singles
Elke & Ralf